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Irgendwann im November 2001 überfiel mich ansatzlos der Gedanke, es müsse doch hinter all den Verschwörungstheorien, die sich auch um den 11.
September 2001 ranken, eine Standardtheorie stecken, eine Geschichte, die den Rahmen für all die Aktualisierungen abgibt, die Verschwörungstheorien in ihrer konkreten Ausprägung erfahren.
Eigentlich gibt es ja keine Verschwörungs”theorien”. Es handelt sich vielmehr um ein narratives Modell, eine bestimmte Art und Weise,
Geschichte oder Geschichten zu erzählen. V-Theorien produzieren einen Kontext, der ein an sich häufig schon bedeutsames Ereignis noch einmal auflädt. Dieser Kontext ist ein
Geheimer Plan,
ohne den
eigentlich das Einzelereignis entweder nicht verständlich ist oder völlig falsch gewürdigt wird. Mit dem Ereignis werden auch die beteiligten Personen, die Protagonisten, erhöht: die bekommen nachgerade
tragische Dimensionen. Meist wollen die Täter nichts weniger als die Welt oder einen signifikanten Teil davon beherrschen, und die Opfer waren gerade dabei, ihnen mächtig in die Suppe zu spucken.
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Der große Plan ist immer nur fast pefekt und fast geheim. Denn natürlich wäre keine V-Theorie erzählbar, wüßten wir nicht aus verräterischen
Details den Plan zu enthüllen. Teilweise ist die Nachlässigkeit in der Ausführung aber auch die Lässigkeit des Verschwörers - ob Person oder Gruppe - der um seine Unverletzlichkeit weiss. Er kann sich
die Signatur leisten, ein Spiel mit Symbolen und Bedeutungen in der Handlung, das den Eingeweihten und der halb wissenden Umgebung die Autorenschaft am Werk enthüllt.
Diese Signatur besteht häufig aus Symbolen, die wieder auf andere Texte verweisen, in denen sie eine Rolle spielen, dem Buch der Bücher des
jeweiligen Bundes (in den meisten Fällen ja leider nicht an jeder Ladentheke zu haben wie die Bibel).
In den folgenden Abschnitten werde ich schildern, was ich herausgefunden habe: es gibt eine
Geschichte, in der sich zwei Welten voneinander trennen, die eine, um als unsere Alltagswelt fröhlich vor sich hin zu trudeln, die andere, um im verborgenen Spiel die erste zu organisieren und zu
strukturieren.
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So gesehen ist das narrative Modell “Verschwörungstheorien” ein verzweifeltes Erzählen gegen die Kontingenz der Katastrophe, sei es eine
Naturkatastrophe (im Film
Conspiracy
Theory
experimentieren SIE mit Erdbeben um den Präsidenten umzubringen), ein Krieg oder das Attentat eines wirren Einzeltäters. An dieser Stelle konvergiert V-Theorie mit anderen pandeterministischen Theorien wie fast jeder offenbarte Religion, jedem Aberglauben, jeder Astrologie in der Rolle, die sie der Vorbestimmung geben: Pandeterministen glauben an die Vorbestimmung und leugnen den Zufall,
Pandeterminismus haßt Kontingenz.
Der ultimative Zufall, der Tod, ist für jeden nicht denkenden Menschen eine Bedrohung: lieber ist ihm eine Welt, in der irgendein namenloses
oder namhaftes Schicksal für Glück und Unglück, Krankheit, Beziehungsstress und entflohene Kanarienvögel zuständig ist. Wir siedeln dieses “Schicksal” in einer der drei Sphären an, die sich hinsichtlich
ihres Grades von Transzendenz (Weltferne?)untescheiden:
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das Jenseits der Götter, luftig-duftig und sehr weit weg
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das Jenseits der Natur, wo Geister hausen und Sterne herrschen
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das Jenseits im Diesseits, die Sphäre geheimer Gesellschaften
Glauben, Aberglauben und - tja, wie nennt man die Zuwendung zur Großen Verschwörung? - Vermutung? - Die Kontingenz-Paranoia hat halt
unterschiedliche Flavours und geht von der Annahme aus, dass die Welt, so wie sie uns erscheint, ein Trugbild ist, dass auf mehreren Ebenen dahinter die wirkliche Wirklichkeit rumkaspert, im Verborgenen
lauert und der ganzen Veranstaltung Tiefe, Bedeutung & Co. gibt. Leider ist der ganze Spaß nicht tief, sondern allenfalls
komplex
im thermodynamischen Sinne. Oder, wie der große Oscar Wilde sagt:
It is only shallow people who do not judge by appearances.
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