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Im Vorwort von 1947 seines Hauptwerks
Cybernetics
beschreibt Norbert Wiener, was zur Erfindung der Kybernetik führte. Wesentlich
beteiligt an der Arbeit war Dr. Arturo Rosenblueth, einem mexikanischen Arzt, der später am
Instituto Nacional de Cardiologia
in Mexiko Stadt lehren sollte. Gemeinsam mit anderen Kollegen von
Rosenblueth besuchte Wiener regelmäßige einen Gesprächskreis, der von Harvard-Medizineren veranstaltet wurde und fächerübergreifend wissenschaftliche Probleme diskutierte. Weiße Flecken auf der Landkarte
wissenschaftlicher Forschung waren nur – so die gemeinsame Meinung – interdisziplinär zu füllen. Doch der Krieg änderte den Lauf der Dinge:
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N. Wiener
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I had known for a considerable time that if a national emergency should come, my function in it would be determinied largley by two things:
my close contact with the program of computing machines dveloped by Dr Vannevar Bush, and my own joint work with Dr. Yuk Wing Lee on the design of electric networks. In fact, both proved important.
In the summer ov 1940, I turned a large part of for the solution of partial equations. (p. 3)
In Ergänzung zu den Differentialgleichungen, die Bushs
Differtial Analyzer
behandelte, sucht Wiener nach einem Modell für die Behandlung
von Funktionen mit mehreren Unbekannten. Für deren Lösung scheint ihm eine Verfahren wie das des Abtastens wie es auch beim Fernsehen benutzt wird, erheblich besser zu sein.
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Vannevar Bush
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Diese Empfehlungen schickte Wiener, zusammen mit Vorschlägen zur praktischen Umsetzung an Bush, „... for their possible use in war“ (p. 4)
Parallel dazu liefen andere Bemühungen, die allerdings ebenfalls direkt mit dem Krieg zu tun hatten: „At the beginning of the war, the German prestige in aviation and the defensive position of
England turned the attention of many scientists to the improvement of anti-aircraft artillery. Even before the war, it had become clear that the speed of the airplane hat rendered obsolete all classical
methods of teh direction of fire, and that it was necessary to build into the control apparatus all the computation necessary.“ (p. 5)
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Differential Analyzer
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Flugzeuge sind so schnell geworden, dass man nicht mehr einfach auf sie schießen kann. Und selbst gezielte Schüsse mit gerechnetem Vorhalt
scheitern nach dem ersten Feuer, weil dann der Pilot mit entsprechenden Ausweichmanövern beginnt. Gefordert ist also eine Methode, die aus der Vergangenheit einer tatsächlichen Flugzeug- bewegung die
zukünftige Kurve vorhersagen kann.
Für das Vorhersagen einer Flugkurve sind aufwändige Berechnungen nötig, die zuerst mit Hilfe des
differential analyzer
von Vannevar Bush ausgeführt wurden. Doch schnell wurde klar, das für die Berechnungen mehr erforderlich war: ein Computer.
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Junkers 87 Stuka Bomber
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Feedback war seinerzeit ein den Ingenieuren durchaus bekanntes Phänomen: Dampfdruck reguliert sich selbst, in dem durch den Dampf ein
Schwungrad zur Rotation gebracht wird, das wiederum den Hitzezufluss reguliert. Dasselbe findet aber auch im Nervensystem statt, wenn eine Hand nach einem Bleistift greift: über das Auge und die Arm- und
Handmuskulatur wird dauernd die Zielführung abgeglichen und korrigiert: „The central nervous system no longer appears as a self-contained organ, receiving inputs from the senses and discharging
into the muscles. On the contrary, some of the most characteristic activities are explicable only as circular processes, emerging from the nervous system through the sense orans, whether they be
proprioceptors or organs of the special senses.” (p 8)
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Feedback bei René Descartes
: Der Schmerz wandert durch den Arm ins Gehirn, das das Zurückziehen der Hand bewirkt.
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Die dadurch bedingte Datenexplosion erfordert allerdings ein anderes Verfahren für die Weiterverarbeitung, vor allem höhere Verarbeitungs- geschwindigkeiten
und Genauigkeit. Dies waren die Anforderungen:
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Numerische Verarbeitung anstelle der auf Basis von Messungen wie bei Bush.
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Schnelle Röhren anstelle langsamer Schalter oder Relais
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Binäre Kalkulationen anstelle von Dezimalzahlen
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Daten und Programm im Computer, ohne menschlichen Eingriff
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Datenspeicher zur Aufzeichnung der Ergebnisse, vieler Ergebnisse
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Die klassische Lochkarte
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Wiener und Rosenblueth sahen den Zusammenhang zwischen Kontrolle und Kommunikation, die beide keine Probleme des Elektroingenieurs sind,
sondern mit dem grundsätzlicheren Begriff der Nachricht
(message)
zu tun haben. „The message is a discrete or continuous sequence of measurable events distributed in time – precisely what is called a time series by the statisticians. The prediction of the future of a message is done by some sort of operator on its past, whether this operator is realized by a scheme of mathematical computation or by a mechanical or electrical apparatus.” (p. 8f)
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Arturo Rosenblueth
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Wiener landet bei einem statistischen Verfahren, das mit Hilfe des Variationskalkulus die Abweichungen von der errechneten Vorhersage
bestmöglich korrigiert. Mit derselben Methode ließ sich zum Beispiel auch das Problem des
background noise
bei der Nachrichten- übertragung mathematisch fassen und über Wellenfilter (wave filters) lösen: die gestörte Nachricht wird über einen entsprechenden Operator rechnerisch wieder hergestellt. „In doing this, we have made of communication engineering design a statistical science, a branch of statistical mechanics. […] The transmission of information is impossible save as a transmission of alternatives. If only one contingency is to be transmitted, then it may be sent most efficiently and with the least trouble by sending no message at all.“ (p. 10) Diese Aussage verdeutlicht Ashby in seiner Einführung an einem Beispiel:
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Calculus of variations
The branch of calculus which deals with trying to find the maxima
or minima of definite integrals.
An example is the problem of
finding the shape of the curve down which a particle will slide in the shortest length of time; this leads us to try to minimise where g is a constant. This can be done
by finding a differential equation that f(x) must satisfy.
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Wiener entwickelt eine statistische Theorie über den Betrag an Information, wobei der Betrag das ist, was als eine einzelne Entscheidung
zwischen gleich wahrscheinlichen Alternativen übertragen wird. „This idea occured at about the same time to serveral writers, among them the statistician R. A. Fisher, Dr. Shannon of the Bell
Telephone Laboratories, and the author.” (p. 10) –
“The notion of the amount of information attaces itself very naturally to a classical notion in statistical mechanics: that of entropy.
Just as the omput of information in a system is ameasure of its degree of organization, so the entropy of a system is a measure of its degree of disorganization; and the one is simply the negative of the
other.
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Claude Shannon
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This point of view leads us to a number of considerations concerning the second law of thermodynamics, and to a study of the possibility of the
so-called Maxwell demons. Such questions arise independently in the study of enzymes and other catalysts, and their study is essential for the proper understanding of such fundamental phenomena of living
matter as metabolism and reproduction. The third fundamental phenomenon of life, that of irritability, belongs to the domain of communicationtheoriy and falls under the group of ideas we have just been
discussing.” (p. 11, Referenz auf Erwin Schrödinger, Was ist Leben?)
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Rosenblueth stellt die neuen Erkenntnisse
1942 in New York bei einem Ärzte-Kongress vor, der duch die Josiah Macy Foundation veranstaltet wurde, eine der zentralen Versammlungen in der Geschichte des Computers (bei dem unter anderem auch
Gregory Bateson und Margaret Mead mitmachten). Dort ist unter anderem Warren McCulloch, der sich als Neurologe für die neue Theorie interessiert.
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7. Daher braucht man oft die Worte als Ziffern oder als Rechenpfennige anstatt
der Bildnisse und Sachen, bis man stufenweise zum Fazit schreitet und beim Vernunftschluß zur Sache selbst gelangt. Woraus erscheint, wie ein Großes daran gelegen, daß die Worte als Vorbild und gleichsam als Wechselzettel des Verstandes wohl gefaßt und unterschieden, zulänglich, häufig, leichtfließend und angenehm seien.
Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung
und Verbesserung der teutschen Sprache
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Als Schutzheiligen für die so entstandene Kybernetik kann sich Wiener nur Leibniz vorstellen, mit Bezug auf dessen
Lingua Universalis
und
den Vernunftkalkulus. Mathematik und mathematische Logik sind die zentralen Werkzeuge für die Kommunikationstheorie und die Kybernetik: Wiener studierte bei Bertrand Russel, Shannon wandte bei seiner
Doktorarbeit am MIT die Bool’sche Algebra an, Turing studiert als Mathematiker die logischen Möglichkeiten einer Maschine. Walter Pitts führt zusammen mit McCulloch mathematische Methoden für
Schalterprobleme im Gehirn ein (noch vor Shannon, wie Wiener betont, nur mit Rückgriff auf Turing). Pitts kommt 1943 ans MIT in die Gruppe von Wiener – „he was not acquainted with Dr.
Shannons work“ -, wo Wiener ihn die die elektronischen Anwendungen des Kalkulus einführt.
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Bertrand Russel
Alan Turing
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Mittlerweile wurden an verschiedenen
Stellen in den USA tatsächlich Computer gebaut, und – wie Wiener nicht ohne Stolz feststellt – „each new machine more than the last was in conformity with the
memorandum I had sent Dr. Bush“ (p. 15).
Im Winter 1943-44 dann laden Wiener und Bush alle Rechnerbauer zu einem Meeting in Princeton ein, an dem auch von
Neumann, Pitts, Wiener, McCulloch und Rosenbluth teilnehmen, 1946 noch ein weiteres Treffen der Macy Foundation, auf der sich die Theorien und Erkenntnisse Wieners und seiner Gurppe endgültig
durchsetzen. Walter Pitts became one of Wiener's disciples and contributed to the exchange of ideas between Wiener and McCulloch; it was he who succeeded in convincing McCulloch to install himself at
MIT in 1952 with his entire team of physiologists.
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In this famous melting pot, ideas boiled. From one research group to another the vocabularies of engineering and physiology were used
interchangeably. Little by little the basics of a common language of cybernetics was created: learning, regulation, adaptation, self-organization, perception, memory. Influenced by the ideas of Bigelow,
McCulloch developed an artificial retina in collaboration with Louis Sutro of the laboratory of instrumentation at MIT. The theoretical basis was provided by his research on the eye of the frog,
performed in 1959 in collaboration with Lettvin, Maturana, and Pitts. The need to make machines imitate certain functions typical of living organisms contributed to the speeding up of
progress in the understanding of cerebral mechanisms. This was the beginning of bionics and the research on artificial intelligence and robots.
(aus: Principia Cybernetica Web)
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Walter Pitts
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