Lebewesen als Produkt ihrer Organisation
Dass Lebewesen eine Organisation haben, ist natürlich nicht allein ihnen eigen. Es ist allen Gebilden gemeinsam, die wir als Systeme betrachten
können. Dennoch ist den Lebewesen eigentümlich, dass das einzige Produkt ihrer Organisation sie selbst sind, das heißt, es gibt keine Trennung zwischen Erzeuger und Erzeugnis." (S. 56)
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Auch ein System: das Sonnensystem
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Information macht Strukturveränderungen
Da wir auch die autopoietische Einheit als mit einer besonderen Struktur ausgestattet beschreiben, erscheint es uns offenkundig, dass die
Interaktionen zwischen Einheit und Milieu, solange sie rekursiv sind, für einander reziproke Perturbationen (= Informationen, StS) bilden. Bei diesen Interaktionen ist es so, dass die Struktur des
Milieus in den autopoietischen Einheiten Strukturveränderungen nur auslöst, diese also weder determiniert noch instruiert (vorschreibt), was auch umgekehrt für das Milieu gilt. Das Ergebnis wird –
solange sich Einheit und Milieu nicht aufgelöst haben – eine Geschichte wechselseitiger Strukturveränderungen sei, also das, was wir strukturelle Kopplung nennen. (S. 85)
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Strukturelle Kopplung
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HIER ALLES GRÖSSER!
Die "strukturelle Kopplung" ist ein zentraler Begriff der Theorie autopoietischer Systeme. Er beschreibt insbesondere die Beziehung zwischen solchen Systemen
untereinander. Wesentlich dabei ist, daß eine solche K. die Autonomie der beteiligten Systeme nicht unterläuft und so auch nicht als (zumindest) begrenztes "Offensein füreinander" verstanden
werden kann. Eine strukturelle K. ist also keine "Schleuse" oder "Zugang" in bzw. für ein System, sondern umgrenzt lediglich den Rahmen ihrer strukturellen Möglichkeiten.
In
diesem Sinne kontrolliert etwa ein Organismus als Ganzes nicht die Prozesse der "in ihm" gekoppelten Zellen und Organe (einschließlich des Gehirns). Vielmehr ist seine Einheit das Resultat der
strukturell gekoppelten Aktivität seiner autonomen Bestandteile. So wissen diese Elemente eben prinzipiell nicht, was sie "für die anderen" zu tun haben. Sie machen, was sie gemäß ihrer
Struktur machen können, und beschränken (und erweitern!) sich dabei (ohne es zu "wissen") wechselseitig in ihren Möglichkeiten. Nur für einen Beobachter ist diese fortgesetzte Korrelation als
operationale Einheit zu erkennen. Und nur ein solcher Beobachter ist dann (gemäß seiner Unterscheidungen) in der Lage, z.B. "konstruktives und hilfreiches Verhalten" von "schädlichem und
destruktiven" zu unterscheiden.
Das bedeutet, daß in jeder Interaktion zwei Einheiten/Systeme aufeinander wirken, und zwar unter Beibehaltung ihrer"Struktur", etwa bei einer Zelle,
unter Beibehaltung ihrer typischen Art und Weise, wie sie Zellstoffe aufnimmt, verarbeitet und abgibt. Diese Einheit (hier: der Zelle) läßt sich nur "stören" ("perturbieren").
Anderenfalls wird sie zerstört und hört auf zu existieren.
Das heißt, daß ein "Milieu" nur perturbieren kann, nicht in bestimmter Weise das betreffende System determinieren, instruieren oder
beeinflussen kann. Umgekehrt kann dieses System sein Milieu (z.B. andere Zellen) auch nur "perturbieren".
Wenn nun das System und sein Milieu sich wechselseitig immer wieder stören und bei
dieser Störung auf vorherige Störungen Bezug nehmen (rekurrieren), entsteht eine "strukturelle Kopplung".
Die strukturelle Kopplung muß immer durch einen Beobachter "zum Leben
erweckt" (gemacht) werden. Er ist es, der Verbindungen (Korrelationen) herstellt zwischen Veränderungen im Milieu und Veränderungen im betrachteten System.
Das Mittel der Kopplung ist die
Sprache. Wenn also zwei Individuen miteinander "sprachen" und ihre Beobachtungen sprachlich koordinieren, abstimmen und sprachlich aufeinander Bezug nehmen (eine gemeinsame Sprache für ihr
jeweiliges Koordinieren) entwickeln, schaffen sie sich eine gemeinsame Welt. Diese Welt ist ein emergentes, also ein neu entwickeltes System, das nicht auf eines der beiden beteiligten Individuen, d.h.
nicht auf ihre "Kognitionssysteme" (Bewußtseinssysteme) zurückgeführt, nicht aus ihnen abgeleitet werden kann.
Luhmann nimmt nicht die Individuen (bzw. "Personen") als Elemente des
Kognitionssystems wie des sozialen Systems, sondern trennt das Kognitionssystem vom sozialen System. Kognitionssysteme bilden sich durch das Denken (das Bewußtsein), soziale Systeme durch Kommunikation.
Da wir in Sprache denken und Sprache auch das wesentliche Medium der Kommunikation darstellt, bildet die Sprache das Verbindungsmedium zwischen Kognition und Kommunikation. Für das Bewußtsein ist
Kommunikation "Umwelt", für Kommunikation ist das Bewußtsein Umwelt. Somit ergeben sich verschiedene Formen struktureller Kopplung:
(1) zwischen Bewußtseinssystem und Bewußtseinssystem
(2) zwischen Kommunikationssystem und Kommunikationssystem
(3) zwischen Bewußtseinssystem und Kommunikationssystem.
Im letztgenannten Fall treffen sich in der Person zwei Systeme bzw. laufen
nebeneinander (strukturgekoppelt) her. Die Beteiligten denken sich "ihren Teil" und kommunizieren miteinander. Sie sagen auch gelegentlich, was sie denken, aber das, was sie äußern,
"gehört" in diesem Moment schon nicht mehr zur Person, sondern ist Teil der Kommunikation.
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