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War Wolfgang Pauli
ein Gnostiker?
Ernst Peter Fischer:
An den Grenzen des Denkens
Wolfgang Pauli -- Ein Nobelpreisträge über
die Nachtseiten der Wissenschaft. Freiburg 2000
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Oder: wer war eigentlich Wolfgang Pauli? Ernst Peter Fischer zeichnet
lobenswerterweise in seinem Buch An den Grenzen des Denkens den Lebens- und Gedankenweg dieses mit
Sicherheit seltsamsten unter den Quantengenies des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Pauli, Patensohn von Ernst Mach, hat seine berühmteste Tat 1936 die Existenz des Neutrino postuliert, dessen Nachweis erst rund 20 Jahre später gelang (oder ”schon”, weil es wirklich ziemlich schwierig ist). Bei weitem nicht so populä¤r wie die meisten seiner Kollegen (man denke nur an Nils Bohr, Werner Heisenberg oder Richard Feynman) galt er in den eigenen Kreisen als allerhöchste Autorität in Fragen der Relativitäts- und Quantentheorie. Berüchtigt ist allenfalls der Pauli-Effekt, ein von Pauli erstmals beschriebenes und von seinen Kollegen häufig ärgerlich bemerktes Phänomen: wo immer Pauli beispielsweise ein Labor betrat, fielen irgendwelche Reagenzien um, misslangen zuvor sichere Experimente oder ging Einrichtung zu Bruch. Diese Art Fernwirkung behandelte Pauli als theoretisches Phänomen unter anderem in seiner Korrespondenz mit C.G. Jung (richtig: dem Psychologen). Fischers Buch zeigt Pauli als Abweichler, dessen Birefe und Schirften außerhalb der Physik noch nicht rezipiert wurden obwohl - so Fischer - sie es verdient hätten. Durch die merkwürdige Dichotomie im Werk, die “weiße” und die “schwarze” Magie (Quantenphysik und Psychologie als Grenzwissenschaft) befindet sich Pauli in bester Gesellschaft, der von Newton nämlich: erst spät fand man heraus, dass der Begründer der modernen Naturwissenschaft den weitaus größten Teil des ihm von seinem Schöpfer zugemessenen Erdenlebens mit Alchemie verbrachte.
Newton
hat im übrigen - ähnlich wie Pauli - darin keinen Widerspruch gesehen.
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Wer dieses
reife und groß angelegte Werk studiert, möchte nicht glauben, das der Verfasser ein Mann von einundzwanzig Jahren ist. Man weiß nicht, was man am meisten bewundern soll, das psychologische Verständnis für die Ideenentwicklung, die Sicherheit der mathematischen Deduktion, den tiefen physikalischen Blick, das Vermögen übersichtlicher systematischer Darstellung, die Literaturkenntnis, die sachliche Vollständigkeit, die Sicherheit der Kritik ...
(Einstein über Paulis 200 Seiten langen Aufsatz von 1921 in der Encyklopadie der mathematischen Wissenschaften, zit. nach Fischer, S. 19f)
Während Heisenberg gerne in die Berge ging und ein naturverbundener Frühaufsteher war,
verbrachte Pauli viel Zeit in Kneipen, und er schlief gerne bis gegen Mittag.
(Fischer, S. 28 - man rate, wer mir sympathischer ist)
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Konferenz 1930 in Kopenhagen - Heisenberg mit Trompete vor sich,
Pauli mit Kanone, jeweils zu betätigen, wenn Unsinn geredet wird.
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Pauli-Effekt und Pauli-Verbot
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Der Pauli-Effekt ernsthaft betrachtet ist Synchronizität, ein Wirkzusammenhang,
der der Kausaltiät komplementär gegenübersteht: Bei Ursache-Wirkung reagiert ein
Objekt auf den Impuls eines anderen Objekts, wobei vorausgesetzt ist, das die Ursache der Wirkung zeitlich vorangeht, bei der Synchronizität geschehen zwei Dinge gleichzeitig, aber nicht als Zufall: nicht Ursache und Wirkung bescheren uns den Effekt, sondern die Kontiguität, die räumliche Nähe zweier Objekte (und eins davon kann Wolfgang Pauli sein). Jung nennt Synchronizität das Prinzip akausaler Zusammenhänge, bei Schopenhauer heißt dasselbe sinngemäße Gleichzeitigkeitsrelation (Fischer, S. 136f.)
Ein interessanter Ansatz, der mich ein wenig an den frühen Rupert Sheldrake
(Das Gedächtnis der Natur) erinnert: bei dem sind es morphologische Felder, in denen so etwas wie eine non-kausale Fernwirkung entsteht, die dann für die Entscheidungsfindung der
Stammzellen auf dem Weg zum geformten Körper zuständig sind. Das trifft aber im Augenblick nicht die Frage: Gnostiker oder was?
Ach ja, zu
erwähnen ist noch das Pauli-Verbot oder Ausschlißungs-Prinzip, das besagt, dass nicht zwei Elektronen mit dem selben Impuls und demselben Spin am selben Ort sein können.
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Wolfgang Pauli und Nils Bohr schauen einem Kreisel zu.
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Pauli stirbt
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ls Pauli
1958 auf seine letzte Reise in das Rotkreuzhospital in Zürich geht, wird er in Zimmer Nummer 137 abgelegt, was ihn - wie er einem Besucher sagt - sicher macht, dass er hier sterben wird. Bei dieser Zahl handelt es sich um die Feinstrukturkonstante (nicht das ich wüsste, was das ist), ein von Paulis Lehrer Arnold Sommerfeld entdeckter Wert, die “einen der am besten gesicherten empirischen Befunde in der Physik ausdrückt, nämlich die atomistische Struktur der elektrischen Ladung.” (Fischer S. 41) Diese Zahl ist “von der Natur vorgegeben” (ebd.) aber, und nun geht der Spaß los, in der jüdischen Mystik dem Wort Kabbala zugeteilt ist. Am 15. Dezember 1958 ist Pauli in Zimmer 137 gestorben (kurz vor meinem 4. Geburtstag).
Paulis Gnostik
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Der junge Pauli rechnet.
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Für Pauli verbindet sich mit Newtons Mechanik (Physik) vor allem eine gewisse
Tragik, denn der fromme Brite hat mit seiner mathematischen Naturbeschreibung genau den materiellen Vorstellungen und Kräften Auftrieb gegeben, denen er, der Gottesfürchtige, persönlich
ablehnend gegenüberstand. Doch dies markiert nur
einen Nebenaspekt, und die Hauptsache seiner Wirkung besteht - in Paulis Worten - darin, “dass Newton Raum und Zeit quasi zur rechten Hand Gottes gesetzt hat und zwar auf den leer gewordenen Platz des von dort vertriebenen Gottessohnes” (WB III, 488), wie er Markus Fierz schreibt, der eine umfassende Studie zu Newtons Werk verfasst und seinem Lehrer zum Lesen geschickt hat. Pauli fährt dann fort: ”Bekanntlich hat es dann einer ganz außerordentlichen Anstrengung bedurft, um Raum und Zeit aus diesem Olymp herunterzuholen.”(Fischer S. 116)
[...] “Deshalb ist für mich die Zeit besonders interessant, wo Raum und Zeit noch
nicht dort oben waren und zwar der Moment vor dieser verhängnisvollen Operation. Deshalb mein Studium von Kepler ...” denn er glaubt, ”einen nicht uninteressanten Zusammenhang aus Keplers Schriften nachweisen zu können zwischen sphärischen Trinitätssymbol, das sich durch fast alle seine Schriften hindurchzieht, und seinem leidenschaftlichen heliozentrischen Glauben.” (zitiert nach Fischer, S. 116) und Pauli vermutet, das dieses Trinitätssymbol in der Entwicklung der Physik eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt hat.
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Was sich
hier ankündigt, ist der spannende Versuch von Pauli, eine bestimmte historische Entwicklung und bestimmende Grundvorstellung mit den Zahlen 3 und 4 zu assoziieren, wobei die 3 gewissermaßen klassisch oder “im strengen und übertragenen Sinne” katholisch ist. Die 4 dagegen ist die eher heidnische, phytagoräische, nicht-klassische Zahl:
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Die vier
Elemente, die vier Säfte, die vier Kardinaltugenden, vier logische Operationen, die vier Rechnungsarten (plus, minus, durch und mal)
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Die Dreieinigkeit, die drei Raumkoordinaten (kartesisch)
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(Jung hat mal die Frage ”Wie kommt man von der 3 zur 4?” als das 2000jährige Problem unserer Kulturgeschichte bezeichnet.
(Fischer, S. 124))
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Kepler
verhilft der Drei zum Durchbruch, und er tut dies konkret im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem englischen Arzt und Rosenkreuzer Robert Fludd, der in Oxford zu Hause ist und für den die Vierzahl eine wesentliche Symbolbedeutung hat. Sein Kosmos ist in vier Sphären eingeteilt, bei der es auch eine unterste gibt, in der sich der Teufel eingerichtet hat. Natürlich kennt auch Fludd die christliche Dreifaltigkeit, aber er sieht die Welt als Spiegelbild (!) des trinitaristischen Gottes, der sich in ihr offenbart. Dies erlaubt in geometrischer Hinsicht die Darstellung der Welt als Viereck, das aus zwei Dreiecken mit einer gemeinsamen Seite besteht (der Diagonalen des Vierecks). Fludd spricht ausdrücklich von der “Würde der Vierzahl”, die er als ”göttlich” ansieht. Er weist zum Beispiel darauf hin, dass es “vier Grade der Natur” gebe, “die auf die vier Elemente bezogen sind, nämlich Sein, Leben, Fühlen (Merken, Wahrnehmen - sentire) und Verstehen, die vier Welteckpunkte, die vier Dreiheiten am Himmel und die vier primären Qualitäten unter dem Himmel und die vier Jahreszeiten. Überhaupt wird die ganze Natur in vier Begriffen erfasst, nämlich Substanz, Qualität, Quantität und Bewegung. So pflegt eine vierfache Anordnung die ganze Natur zu erfüllen, nämlich die Samenkraft, die natürliche Vermehrung, die herangebildete Form und die Zusammensetzung” (zitiert in Paulis Kepler-Studie). (Fischer, S. 127)
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The Pythagorean oath, as quoted by the Renaissance magician Cornelius Agrippa, is
as follows:
"I with pure mind by the number four do swear;
That's holy, and the fountain of nature
Eternal, parent of the mind..."
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Quelle
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Pauli dazu: “Goethe und Fludd vertreten den Fühltypus und den Intuitiven, Newton
und Kepler den Denktypus” (zit. Nach Fischer, S. 129)
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“Der vielleicht entscheidende Punkt ist der, ‘dass der
quaternären Einstellung Fludds gegenüber der trinitaristischen Einstellung Keplers psychologisch die größere Vollständigkeit des Erlebens entspricht’”. (Fischer, S. 129f)
Pauli empfiehlt, die “Idee der Wirklichkeit des Symbols” zu erkunden und meint
damit explizit auch die alchemistischen Symbole Fludds und seiner Kollegen.
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