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Die älteste Version des Physiologus - selbst schon eine Übersetzung einer lateinischen Quelle - stammt aus dem Jahr 1070. Hier zwei hübsche Beispiele aus
einer jüngeren Version, einem Zoologiebuch, in dem das
Buch der Natur
ein Kommentar zur Bibel ist. Einerseits hört es sich an wie eine Proll-Version der Bibel-Exegese der
Patrologia Latina
, andererseits kling der
klassifikatorische Wahnsinn durch, den Borges mit seiner
Chinesischen Zoologie
beschreibt, mit der Michel Foucault sein
Die Ordnung der Dinge
beginnt.
Literatur zum Thema mehrfacher Schriftsinn steht nebenan, zu vergleichbaren mittelalterlichen Taxinomien siehe Foucault im Ahnlichkeitskapitel der
Ordnung (Die vier Ähnlichkeiten).
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Eine nett gemachte Site mit dem
Originaltext
in Mittelhochdeutsch
1.
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sensus literalis
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buchstäblicher Sinn
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2.
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sensus allegoricus
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symbolischer Sinn
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3.
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sensus trophologicus
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existentialis
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4.
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sensus anagogicus
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eschatologischer Sinn
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Friedrich Ohly, Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter. In:
F.O., Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1983.
Auerbach, Erich: Figura. In (ders.): Gesammelte Aufsätze zur
romanischen Philologie. Herausgegeben von Fritz Schalk und Gustav Konrad. Bern - München: A. Francke Verlag 1967, S. 55-93
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Leo
Der Löwe hat drei Eigenschaften (Naturen). A. Er verwischt seine Spuren mit dem Schweif, damit ihn die Jäger nicht aufspüren können. Dies bedeutet die
Menschwerdung des Herrn, ein Geheimnis, das auch den himmlischen Mächten (und dem Teufel, setzen spätere Physiologi hinzu) verborgen war. - B. Wenn der Löwe schläft, so wachen doch seine Augen, das heist
sie sind offen. So schlief zwar der Leib Christi im Kreuzestod, seine Gottheit aber wachte zur Rechten des Vaters. - C. Die Löwin gebiert ihr Junges todt; am dritten Tage aber kommt der Vater, bläst ihm
in's Gesicht und erwecht es dadurch zum Leben. Dies bedeutet die Auf- erstehung des Herrn am dritten Tage. [GkS 1633 f.1-2v]
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Elephans
Der Elephant ist von Natur kalt und muss zuerst von der
Mandragora
essen, wenn er Junge zeugen soll. Er geht also, wenn dies geschehen soll, mit seinem Weibschen in die Nähe des Paradieses, wo diese Pflanze wächst, von der dann das Weibschen zuerst isst und nachher auch das Männchen dazu veranlasst. Wenn aber das Weibschen das Junge gebähren soll, so tritt es in einen Teich und gebiert es über dem Wasser, und der männliche Elephant hält Wache, damit der feindliche Drache nicht komme. Wenn der Elephant fällt, so kann er nicht mehr aufstehen, weil er keine Kniegelenke hat. Auf seinen Ruf kommt zuerst ein anderer Elephant herbei, kann ihm aber nicht aufrichten können; zuletzt kommt der kleine Elephant und richtet ihn auf. Die zwei Elephanten bezeichnet Adam und Eva und stellen in ihrem Falle gebar Eva den Kain. Der erste Elephant, der dem Gefallenen zu Hilfe kommen will, ist das Gesetz, die zwölf andern die Propheten; aber sie alle konnten ihm nicht helfen, bis Christus kam, der wegen der Demut und Erniedrigung in seiner Menschenwerdung mit den kleinen Elephanten zu vergleichen ist, und ihn aufrichtete. [GkS 1633 f.6v-8]
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Mandragora - Mandrake
Alles zur Mandragora Officinalis gibt es
hier
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